Zwei Strömungen - eine TriebkraftDie Reformation vollzog sich in zwei Strömungen, die im Grundsätzlichen übereinstimmen, sich in Details aber unterschiedlich artikulieren: die eine fußt auf Luther, ihre Anhänger sind die Lutheraner, die andere auf Zwingli und Calvin, ihre Anhänger werden als Reformierte (auch Presbyterianer, Kongregationalisten, Puritaner) bezeichnet. Beide Glaubensrichtungen sind unter dem Begriff Protestantismus zusammengefasst. Bereits vor Luther und Zwingli gab es Versuche, die Kirche zu erneuern, u.a. durch Petrus Valdus (Waldes) im 12. Jh., John Wyclif im 14. Jh. und Jan Hus zu Anfang des 15. Jh., aber erst das 16. Jahrhundert wurde zum eigentlichen Zeitalter der Reformation. Zwei Männer der bestehenden „einen heiligen katholischen
Kirche“ entdeckten fast gleichzeitig an unterschiedlichen
Orten das Evangelium neu und wurden damit zu Initiatoren der reformatorischen
Bewegung: Martin Luther in Wittenberg und Ulrich Zwingli
in Zürich. (Johannes Calvin aus Genf, der andere und prägendere
„Vater“ reformierter Theologie, war ein Reformator der
folgenden Generation.) Beide, Luther und Zwingli, wollten die Kirche
ihrer Zeit erneuern, sie wieder zurückführen auf ihren
Urgrund, die reine Verkündigung von Gottes Wort. Die Reaktion
der Kirche war Verfolgung und Aussonderung. Den beiden Theologen
blieb nichts anderes übrig, als ihr eigenes Kirchenwesen aufzubauen.
Dass es kein gemeinsames wurde, obwohl doch der gleiche Geist sie
trieb, war eine Tragik, deren Ursache wesentlich in der Biographie
der beiden Reformatoren lag: |
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Im Religionsgespräch von Marburg 1529 haben Luther und Zwingli den Versuch unternommen, beide reformatorischen Bewegungen zu vereinen. Fast wäre es gelungen, aber es scheiterte an den unterschiedlichen Auffassungen vom Abendmahl. Für Luther waren Brot und Wein wirklich ("est" = ist) Leib und Blut Christi, Zwingli sah in ihnen nur ein Zeichen ("significat" = bedeutet). |
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Fortsetzung des reformierten Protestantismus durch Calvin |
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Nach Zwinglis Tod war es vor allem der in
Genf wirkende Johannes Calvin,
der den reformierten Protestantismus als Lehre befestigte und konsequent
weiterführte. Ebenso wie Zwingli in Zürich organisierte
Calvin in Genf eine neue, auf demokratischer Struktur basierende
Kirchenordnung, wonach die Leitung der Gemeinde in den Händen
der Pfarrer und Presbyter liegt. Ebenso wie Zwingli sah auch er
im Christsein einen gesellschaftlichen Auftrag. Der geschichtlichen
Entwicklung Rechnung tragend, bestand seine Auseinandersetzung mit
den Zeitereignissen jedoch vor allem darin, auf die fortschreitende
Verweltlichung des gesamten Lebens, die in Frankreich im ausgehenden
16. Jh. besonders deutlich zutage trat, zu reagieren und die gesellschaftlichen
Missstände anzuprangern. Calvin übernahm nach Luthers
Tod (1546) dessen Rolle als Sprecher aller „Evangelischen“.
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Die Ausbreitung der Lehren Luthers und Calvins |
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Lutheraner und Reformierte sind in den folgenden
Jahrhunderten getrennte Wege gegangen, im realen wie im übertragenen
Sinn. Während sich die lutherische Reformation bald außerhalb
Deutschlands in Skandinavien und im Baltikum ausbreitete, fassten
die Reformierten außerhalb der Schweiz vor allem in Westeuropa
(Niederlande, Frankreich, Schottland) und in Nordamerika Fuß.
In Deutschland wechselten zunächst die Konfessionen je nach
dem Glauben ihrer Landesfürsten, jedoch waren es vor allem
west- und nordwestdeutsche Gebiete, in denen sich zunehmend reformiertes
Glaubensverständnis etablierte. |
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Von gegenseitiger Intoleranz zu gegenseitiger AkzeptanzFür die weitere Entwicklung einschneidender als die unterschiedlichen
geographischen Wege aber war, dass sich zwischen den Glaubenspositionen
ein unüberwindlicher Graben auftat, der so tief war, dass sich
Lutheraner und Reformierte lange nicht tolerieren konnten. Im Lauf
der Geschichte gab es Perioden (16./17.Jh.), in denen sich beide
offen befeindeten, manchmal floss sogar Blut. Prominentestes Opfer
in Sachsen war der des Calvinismus verdächtigte Kanzler Nikolaus
Krell
, der 1601 auf dem Neumarkt in Dresden hingerichtet wurde.
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